Wutachschlucht

Die Vielwanderer von heute haben eine Teilstrecke des 2006 eröffneten Malerwegs an den Ufern der Elbe zur beliebtesten Strecke in Deutschland gewählt. In einer Befragung unter 5400 regelmäßigen Wanderern erhielt die 18 Kilometer lange Route vom Lichtenhainer Wasserfall nach Schmilka die meiste Zustimmung, teilen die Organisatoren in Remagen bei Bonn mit. Zur Abstimmung aufgerufen worden waren die Leser mehrerer Wander- und Outdoor-Magazine

Auf Platz zwei landete die 25 Kilometer lange Wanderetappe durch die Wutachschlucht im Schwarzwald, die von Lenzkirch zur Wutachmühle führt. .

Bericht: Spiegel Okt. 2008


Grand Canyon des Schwarzwalds

Haushohe Felsen säumen die Wutach, die nach der Schneeschmelze als gefährliches Wildwasser durch die Schlucht rauscht, in heißen Sommern jedoch ganz im Erdreich versickern kann. Scheue Wasseramseln und schillernde Eisvögel begleiten Wanderer auf einer lohnenden Tour durch das Naturschutzgebiet.

 

"Die Schlucht sieht jedes Mal anders aus"

An manchen Stellen hat der Pfad, der Teilstück des Fernwanderweges Freiburg-Bodensee ist, alpinen Charakter. Da erfordern Wurzelwerk, Geröll und blanker Fels auf Schritt und Tritt die volle Aufmerksamkeit der Besucher. Nach längerem Regen wird die Piste schlüpfrig und rutschig. Der oft nur handtuchschmale Steig windet sich mal links und mal rechts der Wutach entlang.

Wutach

30 Kilometer lang ist der Wanderweg entlang der Schlucht
Bonndorf - Auf der klobigen Holzbrücke kurz vor der Wutachmühle gleiten die Blicke der Wanderer hinunter in die rauschenden Fluten der Wutach im Naturpark Südschwarzwald. "Da ist nichts zu sehen", urteilt einer der Gäste voreilig. Doch der Wutach-Ranger und Förster Martin Schwenninger weiß es besser. "Du musst ganz bewusst hinschauen, Stein um Stein betrachten, und dann wirst du sie sehen", rät er. Dutzende Bachforellen stehen im Wildwasser und sind durch ihre perfekte Tarnung erst beim genauen Hinsehen zu entdecken.


Der wilde Wutachfluss hat sich in den vergangenen 20.000 Jahren tief in den Untergrund eingefressen. Wanderer durchstreifen die Landschaft des Naturschutzgebietes auf schmalen Pfaden. In der Nähe von haushohen Felsen kann man seltene Pflanzen und Tiere in dem 30 Kilometer langen "Grand Canyon" des südlichen Schwarzwaldes erleben. Wanderer in der Schlucht bei Bonndorf sollten aber gut zu Fuß sein. Seit 1939 ist die Wutachschlucht als Naturschutzgebiet ausgewiesen, heute umfasst die Schutzzone 950 Hektar. "Die Natur ist an den meisten Stellen sich selbst überlassen", sagt Martin Schwenninger. So haben Botaniker entlang des wilden Gewässers mittlerweile 500 Schmetterlingsarten und rund 2800 Pflanzen wie Blasen- und Streifenfarn, Türkenbund und Silberblatt entdeckt.

Naturpark Südschwarzwald:

Die Wutach hat sich in den vergangenen 20.000 Jahren tief in die Erde gefressen
Nach dem Ende der letzten Eiszeit strömte die Wutach vom höchsten Gipfel des Schwarzwaldes kommend als sogenannte Feldbergdonau nach Osten ins heutige Donautal und weiter in Richtung Ulm. "Doch irgendwann, wahrscheinlich bei einem Hochwasser, änderte der Fluss einfach seinen Weg", erläutert Schwenninger. Kurz vor Blumberg schwappte er über, knickte nach Süden ab und strömt seitdem bei Waldshut-Tiengen in den Hochrhein. Seit jener Zeit, so haben Geologen festgestellt, gräbt die Wutach ihr Bett in die Gesteinschichten, vom harten Gneis und Granit bis zum hellen, weichen Muschelkalk.


"Die Schlucht sieht jedes Mal anders aus", sagt Ranger Schwenninger. Bei der Schneeschmelze im März steigt die Wutach bis auf zwei Meter an und wird zum gefährlichen Wildwasser, das Steine, Äste und selbst alte Bäume mitreißt. Dagegen sinkt der Wasserstand in den Sommermonaten auf 20 bis 30 Zentimeter ab. Nach längerer Trockenheit kann der Fluss in heißen Augustwochen auf dem Teilstück zwischen Schurhammerhütte und Wutachmühle sogar völlig ins Stocken kommen, da viele Tausende Liter Wasser in dem porösen Gestein versickern, sich durch Kanäle im Untergrund den Weg suchen und erst ein paar Kilometer weiter ins Flussbett zurückströmen.

Wasseramseln und Eisvögel

Wer bei einer Tour mit dem Wutach-Ranger ein wenig Glück hat, der erkennt nicht nur die Bachforellen im Fluss, sondern sieht an den Felswänden auch die Nester der scheuen Wasseramsel. Dazu gesellen sich Fledermäuse, die in den Höhlen der Felswände leben, Uhus, Kolkraben und der bunt gefiederte, seltene Eisvogel.

Unterwegs mit dem Wutach-Ranger

500 Schmetterlingsarten und rund 2800 Pflanzen wurden schon gezählt In den Sommermonaten führt der Wutach-Ranger jeweils dienstags Gruppen von bis zu 25 Wanderern in einer mehrstündigen Tour von Boll bis nach Wutachmühle. Beide Orte sind durch einen Bus mit Bonndorf verbunden, von dort bestehen Busverbindungen in die gesamte Region. Für die Tageswanderung über etwas mehr als zehn Kilometer ist die Voranmeldung bei der Touristeninformation Bonndorf erforderlich. Während der Wandersaison von Ende März bis Oktober kommen Jahr für Jahr 100.000 Wanderer in die Wutachschlucht - sonntags unternehmen manche nur eine Kurzwanderung, andere durchlaufen die gesamte, mehr als 30 Kilometer lange Felsenkerbe. Wutach-Ranger Martin Schwenninger rät allen Besuchern eindringlich: "Festes Schuhwerk, am besten knöchelhohe Wanderstiefel mit dicker Profilsohle, sind die Voraussetzung für die Schlucht. Dazu kommt noch der Rucksack mit Verpflegung und Getränken."

Londoner kamen zum Forellenfischen

Die ersten Fremden in der über viele Jahrhunderte unwegsamen Schlucht waren vor dem Jahr 1900 Gäste des ehemaligen Kurortes Bad Boll. Schon 1894 wurde das Kurbad vom Londoner "Fishing Club" übernommen. Der noblen Vereinigung von Fliegenfischern war der reiche Forellenbestand in der Wutach zu Ohren gekommen, und fortan machten sich die Londoner zum Fischen in den Südschwarzwald auf.